Tschirnhaus – Wirken

Das Wirken von TschirnhausEhrenfried Walther von Tschirnhaus wurde 1651 in Kießlingswalde (heute Slawnikowice, Polen) geboren. Nach seiner Studienzeit in den Niederlanden in Leiden begab er sich auf die „Kavalierstour“ quer durch Europa, welche ihn unter anderem nach Frankreich, England und Italien führte. Schon auf dieser für einen jungen Adligen der damaligen Zeit üblichen Tour nutzte Tschirnhaus jede Gelegenheit, um die bekanntesten und versiertesten Wissenschaftler seiner Zeit in Europa aufzusuchen und mit ihnen in Gedankenaustausch zu treten. Hieraus entwickelten sich zum Teil langjährige Freundschaften, so mit Baruch de Spinoza, Gottfried Wilhelm Leibniz, Christiaan Huygens und anderen, welche ihren Ausdruck in einem umfangreichen Briefwechsel fanden, welcher verdeutlicht, dass auch Tschirnhaus durchaus das Denken und Schaffen dieser heute viel bekannteren Wissenschaftler beeinflusst und bereichert hat.

Tschirnhaus wandte sich zunächst vorrangig der Mathematik zu, und u. a. für seine Arbeiten auf diesem Gebiet wurde er 1682 als erster Deutscher als auswärtiges Mitglied in die Académie Royale des Sciences in Paris gewählt. Die Hoffnung, mit dieser Ernennung gleichzeitig eine jährliche Pension zugesprochen zu bekommen, wie dies bei den in Paris ansässigen Mitgliedern der Académie üblich war und welche ihm ein unabhängiges Leben als Wissenschaftler ermöglicht hätte, erfüllte sich jedoch nicht.

In der Folgezeit veröffentlichte er eine Reihe von mathematischen Arbeiten in der in Leipzig gegründeten wissenschaftlichen Monatszeitschrift „Acta Eruditorum“, ehe er 1687 seine Schrift „Medicina Mentis“ publizierte, welche heute als sein philosophisches Hauptwerk gilt.

Diese Schrift, stark beeinflusst von Descartes und Spinosa, sollte laut Tschirnhaus dem menschlichen Geist die Werkzeuge in die Hand geben, welche ihn befähigten, die Wahrheit zu „erfinden“. Unmittelbar nach dem Erscheinen wurde die „Medicina Mentis“ jedoch scharf angegriffen, so von Christian Thomasius, welcher Tschirnhaus vorwarf, in Deutschland die „ketzerischen“ Ideen von Spinoza verbreiten zu wollen.

Tschirnhaus wandte sich darauf wieder verstärkt naturwissenschaftlichen Themen zu. Sein Augenmerk, auch dokumentiert in mehreren Veröffentlichungen in den „Acta Eruditorum“ lag dabei auf der Suche nach Möglichkeiten, experimentell Temperaturen zu erzeugen, die bis dahin noch nicht erreicht werden konnten.

Diesem Ziel näherte er sich zunächst durch die Konstruktion und den Bau großer, meist kupferner Brennspiegel, später entwickelte er die Technologie des Gießens von Glas so weiter, dass es ihm möglich wurde, Linsen in bis dahin nicht gekannter Größe gießen und schleifen zu lassen, welche er zur Konstruktion seiner Doppellinsen-Brennapparate verwandte. Mit diesen Gerätschaften stellte Tschirnhaus umfangreiche Untersuchungen über das Verhalten der verschiedenen Stoffe unter hohen Temperaturen an.

Gleichzeitig bekam Tschirnhaus ab den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts deutlich den Widerspruch zwischen seiner Herkunft als Landadliger aus der Oberlausitz und seinen wissenschaftlichen Ambitionen zu spüren.

Nach dem Tod seines Vaters an das Gut in Kießlingswalde gebunden, stellte über lange Perioden seines Lebens der Briefwechsel für ihn den einzigen Kontakt mit den Zentren des europäischen Geisteslebens dar. Diesen Widerspruch versuchte er schließlich zu lösen, indem er befreundete Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete sowie Handwerker aus verschiedenen Regionen Deutschlands und Europas zu sich nach Kießlingswalde holte, um dort auf seine Kosten mit ihnen zu forschen und zu arbeiten, er gründete somit nahezu 120 Jahre vor der Aufrichtung einer Sächsischen Akademie der Wissenschaften eine solche Institution auf privater Basis.

Um 1694 wurde Tschirnhaus zum kurfürstlich-sächsischen Rat in Dresden ernannt, die damit verbundenen Aufgaben banden ihn zunehmend in Dresden, was das allmähliche Auslaufen der Arbeiten in Kießlingswalde nach sich zog. Tschirnhaus kümmerte sich am sächsischen Hof vorrangig um die Etablierung von Schleif- und Poliermühlen zur Bearbeitung der sächsischen Edelsteinvorkommen sowie um die Einrichtung von Glasmanufakturen in Sachsen. Daneben entstanden in dieser Zeit weitere Schriften, die von der Vielseitigkeit von Tschirnhaus’ Plänen, Interessen und Schaffensgebieten zeugen, so eine komplett überarbeitete Neuauflage der „Medicina Mentis“, eine deutsche Fassung der „Medicina Corporis“ (eine kleine Schrift zur Gesundheitsvorsorge, welche ursprünglich der „Medicina Mentis“ beigefügt war) unter dem Titel „Die Curiöse Medicin“ sowie deren Fortsetzung, eine Schrift über die Einführung eines naturwissenschaftlichen Unterrichtes an Schulen („Gründliche Anleitung zu nützlichen Wissenschaften“), sowie 30 Hinweise, wie ein Hofmeister bzw. ein Informator einen jungen Adligen auf Reisen und beim Studium anleiten sollte, welche erst nach Tschirnhaus’ Tod veröffentlicht wurden („Geutreuer Hofmeister“).

In seinen letzten Lebensjahren wurde Tschirnhaus schließlich durch den sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. mit der Beaufsichtigung des „Goldmachers“ Johann Friedrich Böttger beauftragt. Gemeinsam mit Böttger und dem Bergrat Gottfried Pabst von Ohain war Tschirnhaus schließlich an den wesentlichen Versuchen beteiligt, welche in die Erzeugung des ersten europäischen Hartporzellans mündeten. Dessen Fertigstellung im Frühjahr 1709 sollte Tschirnhaus jedoch nicht mehr erleben, er starb im Oktober 1708.